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WP's - na ja, Giraudoux' - Kein Krieg in Troja

 

Forum Romanum
Was bleibt...

Diplomatie aktuell - das kommt Ihnen, wenn Sie die täglichen Nachrichten verfolgen, bestimmt irgendwie vertraut vor. Es ist ein Auszug aus Jean Giraudoux' berühmten Drama Kein Krieg in Troja (Der Trojanische Krieg findet nicht statt; original La Guerre de Troie n'aura pas lieu), Frankreich 1935(!). Das Stück ist einfach genial.

Ulysses Es ist das Privilegium der Großen, die Katastrophen von einer Terrasse aus zu überblicken.

[2. Akt, 13. Szene]

Situation: Der trojanische Prinz Paris hat Königin Helena entführt. Die Griechen unter Ulysses wollen sie zurückholen, ihre Schiffe sind im Begriff in Troja zu landen. Der Trojanische Krieg droht.
Personen: Hektor, der trojanische Kriegsherr, will keinen Krieg. Busiris, ein internationaler Gesandter und Fachmann für Völkerrecht, soll die Rechtslage beurteilen.

(Ich bin mir sicher, der ganze Text findet sich im Internet.)

 


2. Akt, 5. Szene

[...]

Busiris Mein Urteil, Fürsten, nach Aufnahme des Lokalaugenscheins und anschließender Zeugeneinvernahme lautet: die Griechen haben sich den Trojanern gegenüber eines dreifachen Verstoßes gegen die Vorschriften des Völkerrechts schuldig gemacht. Ihnen die Landung zu gestatten, hieße den Rechtstitel des Beleidigten aufzugeben, der Ihnen in dem Konflikt die Sympathien der ganzen Welt garantiert.

Hektor Erklär dich näher.

Busiris Zum Ersten haben sie ihre Flagge an der Vorbramstenge und nicht an der Oberbramstenge gehisst. Ein Kriegsschiff, Fürsten und liebe Kollegen, hisst seinen Wimpel an der Vorbramstenge nur als Erwiderung auf den Gruß eines Rindertransportschiffes. Angesichts einer Stadt und ihrer Bevölkerung ist es also die Beleidigung an sich. Übrigens gibt es einen Präzedenzfall. Im vorigen Jahre haben die Griechen bei der Einfahrt in Ophea Ihre Flagge an der Vorbramstenge gehisst. Ophea hat den Krieg erklärt.

Hektor Und was ist geschehen?

Busiris Ophea wurde besiegt. Es gibt kein Ophea und keine Opheer mehr.

[... Schrecklich.]

Busiris Die Vernichtung eines Volkes beeinträchtigt in keiner Weise seine internationale moralische Position.

Hektor Weiter.

Busiris Zum Zweiten hat die griechische Flotte bei der Einfahrt in eure Gewässer die sogenannte Frontalformation eingenommen. Auf unserem letzten Kongress wurde beantragt, diese Formation in den Paragrafen der sogenannten Defensiv-Offensiv-Maßnahmen aufzunehmen. Es ist mir gelungen, dass man ihr den wahren Rang einer Offensiv-Defensiv-Maßnahme zuerkannte, so ist sie dann rundweg eine verschleierte Form der Seefront, die selbst wieder eine verschleierte Form der Blockade ist, das heißt, sie stellt einen Verstoß erster Ordnung dar. Auch hier haben wir einen Präzedenzfall. Vor fünf Jahre haben die griechischen Schiffe die Frontalformation angenommen, als sie vor Magnesia ankerten. Magnesia hat in der gleichen Stunde den Krieg erklärt.

Hektor Hat es den Krieg gewonnen?

Busiris Es hat ihn verloren. Von seinen Mauern steht kein Stein mehr. Mein Paragraf aber besteht.

Hektor Zum Ende.

Busiris Der dritte Verstoß ist weniger belastend. Einer der griechischen Dreiruderer ist ohne Erlaubnis und heimtückischerweise gelandet. Sein Kommandant Ajax, der gewalttätigste und liederlichste der Griechen, kommt unter Skandal und Provokation gegen die Stadt herauf und schreit, dass er Paris töten will. Vom völkerrechtlichen Standpunkt aus dürfte dieser Verstoß übersehen werden. Denn es ist ein Verstoß, der nicht in der vorgeschriebenen Form begangen wurde.

Hektor [...] Unsere Stadt versteht sich mitnichten zu der Ansicht, dass sie von den Griechen beleidigt wurde.
[...]
Du wirst also, und zwar sofort, ein Gutachten abgeben, welches unseren Senat zu der Erklärung ermächtigt, dass seitens unserer Besucher kein Verstoß geschehen ist, sondern dass [...] wir sie mit allen Ehren als unsere Gäste empfangen können.

[...]

Busiris Dies entspricht nicht den Tatsachen, Hektor.

Hektor Mein lieber Busiris, wir wissen hier alle, dass die Rechtslehre die stärkste Schule der Fantasie ist. Nie hat ein Dichter die Natur so frei ausgelegt wie ein Jurist die Wirklichkeit.

Busiris Der Senat hat ein Gutachten von mir verlangt, ich habe es gegeben.

Hektor Und ich, ich verlange von dir eine Auslegung, das ist noch juristischer.

Busiris Sie geht gegen mein Gewissen.

Hektor Dein Gewissen hat Ophea untergehen sehen, hat Magnesia untergehen sehen, und es sieht leichten Herzens dem Untergang Trojas entgegen?

[...]

Finde eine Wahrheit, die uns rettet. Wenn das Recht den Unschuldigen nicht zum Harnisch dient, wozu dient es denn? [...] Übrigens ist die Sache sehr einfach; wenn du diese Wahrheit nicht findest, behalten wir dich hier, solange der Krieg dauert.

Busiris Wie?

[... Im Krieg wird das Recht eingesperrt. Da wird man doch auch noch einen Juristen einsperren dürfen...]

Busiris Es gibt allerdings Rechtsmittel.

Hektor Ich hab's ja gewusst.

Busiris Was den ersten Verstoß betrifft, können man nicht zum Beispiel in gewissen Meeren, die von fruchtbaren Gebieten eingefasst sind, die Begrüßung des Rindertransportschiffes als Ehrenbezeigung der Seemacht vor der Landwirtschaft deuten?

Hektor Das ist in der Tat logisch. Es wäre, mit einem Wort, der Gruß des Meeres an die Erde.

Busiris Wobei noch zu berücksichtigen ist, dass eine Landung von Rindern auch eine Ladung von Stieren sein kann. In diesem Falle würde die Ehrenbezeigung sogar an Schmeichelei grenzen.

Hektor Du hast mich verstanden. Wir sind soweit.

Busiris Die Frontalformation dagegen lässt sich ebenso wohl als Entgegenkommen wie als Herausforderung auslegen. Frauen, die Kinder haben wollen, präsentieren sich von vorne und nicht von der Seite.

Hektor Ein entscheidendes Argument.

Busiris Um so mehr, als die griechischen Schiffe riesige Nymphen als Galionsfigur tragen. Man kann sagen: die Tatsache, dass den Trojanern nicht Schiffe als Einheiten der Seefahrt, sondern Nymphen als Symbol der Fruchtbarkeit entgegenkamen, ist das gerade Gegenteil einer Beleidigung. Eine Frau, die euch nackt, mit offenen Armen entgegen zieht, ist nicht eine Drohung, sondern ein Angebot. Ein Angebot zu unterhandeln jedenfalls...

Hektor Und so ist denn unsere Ehre intakt, [...] und du, [...] lauf zum Hafenkommandanten mit dem Auftrag Ulysses unverzüglich an Land zu bringen.

[...]

 


Drum - weil es so schön ist - noch ein Auszug: 1. Akt, 4. Szene, Personen: Hektor, Paris, Kassandra.

[...]

Hektor Wie war die Entführung? Willig? Oder mit Gewalt?

Paris Aber du kennst doch die Frauen ebenso gut wie ich. Sie willigen nur ein, wenn man Gewalt braucht. Dann aber mit Begeisterung.

Hektor Geschah es zu Pferd? Und unter Zurücklassung von Pferdemist vor ihrem Fenster? Du weißt, das ist das Kennzeichen der Verführer.

Paris Soll das ein Verhör sein?

Hektor Es ist ein Verhör. Versuche doch einmal, präzise Antworten zu geben. Du hast also weder dem ehelichen Bett noch der griechischen Erde Schimpf angetan?

Paris Nein. Ein wenig allerdings dem griechischen Meer. Sie war im Begriff zu baden...

[...]

Hektor Du hast die Säulen des Palastes nicht mit beleidigenden Inschriften und Zeichnungen bedeckt, wie es deine Art ist? Du hast nicht als erster dem Echo ein Wort zugerufen, das nunmehr dem betrogenen Gatten von überallher in den Ohren klingt?

Paris Nein. Menelaus stand nackt am Ufer. Er war damit beschäftigt, seine große Zehe von einer Krabbe zu befreien. Er hat meinem Boot nachgeblickt, als ob der Wind ihm seine Gewänder entführte.

Hektor Mit wütender Miene?

Paris Die Miene eines Königs, den eine Krabbe zwickt, ist nie freudestrahlend gewesen.

Hektor Andere Zuschauer gab es keine?

Paris Meine Matrosen.

Hektor Vortrefflich!

Paris Warum vortrefflich? Was willst du damit sagen?

Hektor Ich sage: vortrefflich, weil du nichts verübt hast, was nicht gutzumachen wäre. Da sie unbekleidet war, ist an keinem einzigen ihrer Gewänder, noch ihrer Sachen gefrevelt worden. Nur an ihrem Körper. Das ist Nebensache. Ich kenne die Griechen. Aus dem Unfall dieser kleinen griechischen Königin werden sie ein für sie höchst ehrenvolles göttliches Abenteuer machen. Das Meer hat sie ein bisschen verschluckt, und nach einigen Monaten taucht sie wieder auf, mit dem unschuldigsten Gesicht.

Kassandra Für das Gesicht garantieren wir.

[...]

 


2. Akt, 14. Szene

[...]

Kassandra Der trojanische Dichter ist tot... Der Dichter der Griechen hat das Wort.

Vorhang

 

Das Ende vom Lied:
Bw - Oh weh!

TOUR

 



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©WP (1998 -) 2012
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Stand: V8.4, 2012-03-02


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