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WP's SloMo FAQ - Hochgeschwindigkeitskamera Gewusst-Wie

 

 High-speed Kamera SpeedCam Visario g1
Digitale HD Hochgeschwindigkeitskamera, 10 000 Bilder/sek

Digitale Hochgeschwindigkeitskamera - Das beliebte Frage- und Antwortspiel

Platzende Seifenblase
Platzende Seifenblase
500 mal verlangsamt

Die grundlegenden Fragen, die immer wieder zum Thema digitale Hochgeschwindigkeitskameras und High-speed Camera Systems kommen. Nicht alles, aber doch einiges über Hochgeschwindigkeits- und Zeitlupenkameras.
Dies hier ist keine Werbeseite - Links zu verschiedenen Herstellern und Systemen finden Sie in [SloMo Links].

Beispielaufnahmen:

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Und was gibt es hier zu sehen? Das ist doch nur eine Videokamera!

Einige typische Hochgeschwindigkeits-
kamera Daten:


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Na ja, es ist schon ein bisschen mehr: Digitale Hochgeschwindigkeitskameras erreichen bei einer Vollbildauflösung in Fernsehqualität (PAL/NTSC oder besser als HDTV) über 1 000 Bilder pro Sekunde (wie bei progressive scan, d.h. ohne Zeilensprungverfahren in Schwarz/Weiß oder True Color). Durch Reduzierung der Auflösung (Binning) oder des Formats (Teilbereich des Sensors auslesen) ist systemabhängig eine maximale Aufnahmefrequenz von einigen 10 000 bis deutlich über 100 000 Bilder/sek möglich. Selbst mehr als 1 Million Bilder/sek sind so technisch noch machbar. (Übrigens: Oft findet man die englische Bezeichnung fps für frames per second, also Bilder pro Sekunde oder Hz für 1/Sekunde.)
Die Kombination mit Spezialstroboskopen erlaubt mittels Mehrfachbelichtung noch weit höhere Aufnahmeraten.
Es gibt Ein- und Mehrkanalsysteme und sogar schockfeste Versionen.

Angesichts des Aufwands und der Leistungsfähigkeit ist es besser von einem optischen Messgerät als von einer (Video-) Kamera zu sprechen.
Konsequenterweise verfügen verschiedene Hochgeschwindigkeitskameras zusätzlich über bildsynchrone analoge und digitale Messkanäle.

 

Digitale Hochgeschwindigkeitskamera: Wo wird so ein Gerät eingesetzt? - Es ist doch sehr speziell!

Nein, ist es eigentlich nicht. Solche Kameras werden unter anderem eingesetzt in der Automobil- und Automobilzulieferindustrie (Crashtest, Airbagfertigung, Reifentechnik, Hydraulik, ...), im Sondermaschinenbau (Verpackungsmaschinenbau, Werkzeugmaschinenbau, Robotik, Holzverarbeitung, ...), in der Qualitätssicherung (Materialprüfung, zerstörende Prüfung, ISO 9000/CE Dokumentation, Überwachung, ...), in der Massenfertigung (Kabelverseilung, Steckverbindermontage, Abfüllanlagen, Schweißanlagen, ...), bei Serviceeinsätzen (Allgemeine Einstellarbeiten, Druckereiindustrie, Bestückungsanlagen, Chipkartenfertigung, ...), in der Medizin (Ganganalyse, Reha, Ergonomie, Gerichtsmedizin, ...), im Sport (Training, Dokumentation und Unterricht, Materialforschung, Bewegungsanalyse, ...), in der Werbe- und Unterhaltungsindustrie (Werbefernsehen, Spezialeffekte, Musikvideos, ...), in der Heizungs- und Feuerungstechnik, in der Tierforschung, im Berg-, Hoch- und Tiefbau, in der Sportartikelindustrie, in der Strömungslehre und Fluidmechanik, in der Luft- und Raumfahrttechnik, in der Wehrtechnik, ...

 

Wie kann die Kamera so schnell sein? - Der Sensor muss ja sehr »hochgezüchtet« sein!

Ja, natürlich wird ein spezieller, auf Geschwindigkeitsbelange hin entwickelter Sensor eingesetzt. Die Leistungsfähigkeit von Hochgeschwindigkeitskameras rührt aber trotzdem weniger von der schieren Taktrate als von der Parallelisierung her. Normalschnelle CCD oder CMOS Kameras lesen den Sensor nur an einer Stelle aus. Ein Bild (Ladungen in der Sensormatrix) wird Pixel für Pixel aus dieser Auslesezeile vom Sensor in die Auswerteelektronik geschoben. Dann wird das restliche Bild geschlossen um eine Zeile verschoben, so dass die Auslesezeile wieder gefüllt ist und der Auslesevorgang startet erneut. Und so weiter, bis der Sensor regelrecht leer gelesen ist. Weil so aus einer flächig verteilten Information ein serieller Datenstrom wird spricht man von Serialisierung.

Sensoren von Hochgeschwindigkeitskameras sind dagegen gewöhnlich hochgradig parallel ausgeführt. Mehrbildrige Single Shot Kameras belichten den Sensor mehrmals an unterschiedlichen Stellen und/oder nützen ihn gleich als Speicher, der dann mit normaler Geschwindigkeit ausgelesen wird. Bei Sequenzkameras weist der Sensor mehrere unabhängige Auslesekanäle inklusive Elektronik auf. Salopp gesprochen hat man mehrere Kameras im selben Gehäuse. Beispielsweise verfügt der »VGA Klasse« CCD Sensor HS0512JAQ von EG&G Reticon (ca. 1995) über 16 solcher Auslesekanäle, der »HDTV Klasse« CMOS FhG/CSEM Cam 2000 Sensor (ca. 2001) bietet 32 analoge und der Megapixel CMOS Photobit PB-MV13 (ca. 2003) 10 digitale. Die Bilddaten werden zwischenzeitlich in breit angebundenen Speicherbänken abgelegt, aus denen sie dann mit normaler Geschwindigkeit ausgelesen werden.

Der Sensor läuft in der Regel mit einem festen Takt von einigen zehn bis wenigen hundert Megahertz bei Chips mit hoher Pixelzahl. Dadurch ist die maximale Ausleserate (Pixel pro Sekunde) bzw. die maximale Bildfrequenz (kompletter Sensor pro Sekunde) beschränkt. Will man schneller werden als diese Nennfrequenz, muss man die Zahl der auszulesenden Pixel pro Bild reduzieren. Die Ausleserate ist ja fest. Das erreicht man durch schrittweise Verkleinerung des auszulesenden Bereiches. So kommt man dann in Regionen von etlichen tausend bis über eine Million Bilder pro Sekunde. Doch sollte man sich vor Augen halten, dass solche Spitzenwerte angesichts winziger »Gucklöcher« mehr der Werbung dienen als der Anwendung. Abgesehen von den extremen Anforderungen an die Beleuchtung aufgrund der kurzen Belichtungszeiten.

 

Braucht man denn eine Kamera mit so vielen Bildern pro Sekunde wirklich? - Mein Camcorder kann doch auch Zeitlupe!

Schon, aber er schafft normalerweise nur 25 oder 30 Vollbilder/sek, unter Umständen sogar nur 50 oder 60 ineinander eingeschobene Halbbilder pro Sekunde. Dazwischen geht viel Information verloren. (Von Hochgeschwindigkeitskameras spricht man erst bei Aufnahmeraten von über 160 Bilder/sek und wenigstens einer Serie von drei Aufnahmen oder von 125 Bilder/sek bei einer Belichtungszeit von unter einer Mikrosekunde, vgl. z.B. EU Dual Use Verordnung Ausfuhrliste Abschnitt C, 6A003.)

Praxisbeispiel: An einer Drehmaschine soll die Auswirkung verschiedener Drehmeißel auf die Spanabhebung analysiert werden. Das Werkstück rotiert mit 3 000 U/min, das sind »lächerliche« 50 Umdrehungen pro Sekunde. Trotzdem, bei 25 Bilder/sek nimmt man nur jede zweite Umdrehung auf. Mit 1 000 Bilder/sek nimmt man schon alle 18° ein Bild auf, also 20 pro Umdrehung.

Igniter Zündung aufgenommen mit einer Hochgeschwindigkeitskamera
Gas- und Partikelausstoß eines Igniters

Wobei wir schon beim nächsten Knackpunkt sind: Das aufzunehmende Objekt hält ja nicht zur Zeit der Aufnahme in schönster Pose inne, sondern bewegt sich weiter. Ein einzelnes Bild gibt also die BEWEGUNG des Objekts WÄHREND EINER ZEITSPANNE, nämlich der Belichtungszeit, wieder. (Das als Unterschied zum Daumenkino ;-)

Die Aufnahme rechts zeigt ein Bild aus einer Sequenz, die mit 1 000 Bilder/Sekunde aufgenommen wurde. Man sieht die Ausstoßwolke einer Zündkapsel (ca. Fingerspitzengröße), so wie sie z.B. zum Auslösen des Treibsatzes eines Airbags oder einer Pulverrakete eingesetzt wird, ca. 3 Millisekunden nach der Zündung.
Während die Gaswolkenwirbel bei der Belichtungszeit von 1/10 000 Sekunde noch scharf abgebildet werden, sind die ausgeblasenen glühenden Partikel wegen der Bewegungsunschärfe nur noch als Streifen erkennbar. Die bereits reduzierte Belichtungszeit ist nicht kurz genug um ihre Bewegung einzufrieren.

Praxisbeispiel: Obiges Werkstück habe einen Durchmesser von 100 mm, die Belichtungszeit sei 1/1 000 sek. Dann entsprächen 18° etwa 15,7 mm mit denen sich die Werkstückoberfläche während eines Bildes weiterdreht. Wenn das schon zu viel ist, muss eben die Belichtungszeit verkürzt (und/oder die Aufnahmefrequenz erhöht) werden. Wie das geht, finden Sie unter [SloMo Tipps] in dieser Site.

Bei der Bewegungsanalyse darf man das sogenannte Abtasttheorem nicht vergessen: Um eine (schwingende) Bewegung rekonstruieren zu können, muss die Aufnahmefrequenz mindestens doppelt so hoch sein wie die (Frequenz der) Bewegung selbst.

Praxisbeispiel: Ein Ventil oder Lautsprecher geben den Kammerton »a« von sich, schwingen also mit 440 Hertz. (Das entspricht etwa dem »Ahhh«, das man beim Zahnarzt sagt.) Um die Bewegung der Membran zu verfolgen, muss man deshalb schon mit mindestens 880 Bilder/sek (1 Hz (Hertz) = 1/sek) aufnehmen. In der Praxis eher noch mit viel mehr.

Ein kurzer Vergleich mit militärischen Anforderungen zeigt mit welch hohen Aufnahmefrequenzen man rechnen muss.
Praxisbeispiel: Das Geschoss eines Standard-Sturmgewehrs wie des AK-47 (Kalaschnikow) oder des G3 (Heckler & Koch) soll beim Verlassen des Laufs aufgenommen werden. Die Mündungsgeschwindigkeit V0 übertrifft die doppelte Schallgeschwindigkeit, also angenommen 680 m/sek. Somit bewegt sich das Projektil während einer Tausendstelsekunde um mehr als 0,68 m und man erhält einen Strich als Bild, falls man die Belichtungszeit nicht reduziert. Mit einer Belichtungszeit von einer Zehntausendstelsekunde reduziert sich die Strichlänge auf immer noch etwa die doppelte Projektillänge. Das legt nahe, dass, wenn man den Einschlag verfolgen will, man zumindest Aufnahmefrequenzen von etlichen tausend bis einigen zehntausend Bilder/sek benötigt.
Nebenbei: Pistolen und Revolver feuern ihre Kugeln mit ca. 275 m/sek und mehr ab, verschiedene Granaten von Artilleriegeschützen und Panzerkanonen erreichen mehr als 1 600 m/sek und drehen sich dabei noch um die Längsachse.

Also - die benötigte Aufnahmefrequenz nicht unterschätzen, speziell nicht bei rotierenden Objekten und Explosionen.

 

Wie lange kann man aufnehmen? - Bei Camcordern kann man doch auch einfach die Speicherkarte wechseln oder sie vernetzen!

Das Problem ist nicht das Speichermedium an sich. Man kann auch eine Festplatte einbauen oder die Kamera per USB oder Ethernet etc. anschließen. Und das wird auch gemacht. Die Bilddaten fallen allerdings so schnell an, dass die üblichen Schnittstellen sie nicht mehr in Echtzeit aus dem deshalb notwendigen Pufferspeicher abziehen können. Ein Megapixel Sensor generiert bei 1 000 Bilder/sek immerhin gut 1 GByte an Daten pro Sekunde. Deswegen ist der USB-Anschluss an schnellen und Hochgeschwindigkeitskameras hoher Auflösung auch nicht besonders verbreitet. Siehe auch [SloMo Bild].

Mit moderaten Ansprüchen an Auflösung und Aufnahmefrequenz kann es möglich sein ein einfacheres Kamerasystem zu wählen, welches in der Lage ist die Bilddaten über einen längeren Zeitraum direkt auf die Festplatte des Steuerrechners, in der Regel ein Notebook, zu schreiben. Das geht bei sogenannten Langzeitrecordern etwa mit VGA Auflösung und 100 bis 200 Bilder/sek.
In der anderen Richtung, wenn man bei einigermaßen vernünftiger Auflösung extrem hohe Aufnahmefrequenzen haben will, wird selbst die Anbindung des Pufferspeichers an den Sensor zeitkritisch. Er wird dann nicht mit separaten Bausteinen realisiert, sondern Speicherzellen oder Speicherbereiche werden direkt auf dem Sensor und sogar um die Pixel gruppiert. Natürlich ist die Aufnahmedauer dann noch beschränkter.

 

Ist die Aufnahmedauer von höchstens ein paar Sekunden nicht viel zu kurz? - Bei der Maschine, die ich überwachen will, kommt es erst nach Minuten oder sogar Stunden zum Fehler!

Platzender Ballon
Platzender wassergefüllter Ballon

Eigentlich nicht - denn was schnell ist, ist auch meistens schnell vorüber. Abgesehen davon beschreiben digitale Hochgeschwindigkeitskamerasysteme ihren Bildspeicher in einer Endlosschleife. Je nach Ausbau, Aufnahmefrequenz und Auflösung wird er z.B. alle 4 Sekunden überschrieben. Das System kann stunden- und tagelang in diesem Zustand lauern. Erhält es dann ein Triggersignal wird die eigentliche Aufnahme erst veranlasst, der Überschreibvorgang des Bildspeichers also gestoppt. Was dabei dann tatsächlich aufgenommen wird kann man mit der Triggerposition vorwählen.

Praxisbeispiel 1: In einer Flaschenabfüllanlage zerbrechen Flaschen an einem bestimmten Ort, aber in ungewissen Zeitabständen. Man sucht die Ursache. Die Kamera wird auf den interessierenden Bereich gerichtet und der Triggereingang des Kamerasystems mit einem Mikrofon beschaltet. Den Triggerzeitpunkt stellt man auf 100%, d.h. Endposition. Das Kamerasystem lässt man im Aufnahme-Modus den Bildspeicher (hier z.B. ausgebaut auf 2 Sekunden) ständig überschreiben. Zerbirst eine Flasche, löst das Geräusch den Trigger aus. Die Aufnahme wird sofort gestoppt und im Bildspeicher des Kamerasystems befinden sich die 2 Sekunden »Vorgeschichte«, die vor dem triggerauslösenden Geräusch aufgenommen wurden.

Praxisbeispiel 2: Das Startverhalten eines Sprinters beim 100-Meter-Lauf soll analysiert werden. Man stellt den Trigger des Kamerasystems mit z.B. 1 Sekunde Bildspeicherausbau auf 25% ein, schließt den Triggereingang an die Startpistole an und aktiviert den Aufnahme-Modus. Im Kasten hat man dann die 0,25 Sekunden vor und die 0,75 Sekunden nach dem Startschuss.

Manche Hochgeschwindigkeitskameras erlauben es den Bildspeicher sequentiell zu nutzen. Diese Partitionierung bedeutet, man kann einige kurze unabhängig ausgelöste Aufnahmen machen, ohne dass der Bildspeicher gleich von nur einer einzigen Sequenz voll geschrieben wird. Mehr zur Bestimmung des Speicherbedarfs findet man unter [SloMo Daten] in dieser Site.

Und noch etwas zur Dauer: Wenn Sie sich die 4 Sekunden, die Sie mit 1 000 Bilder/sek aufgenommen haben, ansehen, tun Sie dies logischerweise verlangsamt - das ist ja der Sinn und Zweck der Zeitlupe. Bei einer Abspielgeschwindigkeit von z.B. 1 Bild/sek gibt das regelrechte Spielfilme von immerhin fast 67 Minuten Dauer, mit aber meist ziemlich dünner Handlung. Deshalb bieten die Systeme üblicherweise die Möglichkeit die Sequenzen vor der Abspeicherung auf ein dauerhaftes Medium zu schneiden

 

Ist die Auflösung nicht zu gering? - Digitale Fotoapparate können doch auch schon etliche Megapixel!

Nein eigentlich nicht, denn an Fotos hat man andere Ansprüche. Man benötigt oft Detailvergrößerungen, da die Digital-Fotoapparate oft nur sehr begrenzte Brennweiteneinstellungen haben. Zudem werden die Bilder oft (nicht verlustfrei) komprimiert abgelegt um der Datenflut Herr zu werden. Somit haben sie dann eigentlich gar nicht die genannte und beworbene Auflösung. Und irgendwie muss man die Daten auch weg schaufeln: Ein unkomprimiertes Megapixel-Bild hat mindestens 1 MByte, bei True Color eher noch mehr. Und ganz pragmatisch: Wo kann man sich solche Aufzeichnungen aus echten Megapixelbildern mit Datenraten von GByte/sek denn noch flüssig ansehen?
Daneben bedingt eine höhere Auflösung aber auch kleinere Pixel, da der Sensor allein schon wegen der abbildenden Optik nicht beliebig groß werden darf. Kleinere Pixel sind aber wiederum anfälliger gegenüber Rauschen und benötigen gern mehr Licht.

VGA, PAL/NTSC und HDTV Formate
VGA, traditionelle und neue TV Formate

Sinnvoller ist also ein Vergleich mit der Fernseh- und Videotechnik, da auch sie primär im Bewegtbildbereich angesiedelt ist, und jeder wohl einen (Röhren-) Fernseher in Reichweite (oder in Erinnerung ;-) hat. Aus der sichtbare Auflösung eines Fernsehers (PAL, SECAM) von 720 Spalten x 576 Zeilen (nicht 768 Spalten, wie es das Seitenverhältnis 4:3 nahe legt) wird bei S-VHS-Rekordern 576 x 400 und bei VHS-Rekordern 576 x 240. Bei Fernsehern nach der NTSC-Norm entstehen aus 720 Spalten x 480 Zeilen (nicht 640 Spalten, wie beim Seitenverhältnis von 4:3 eigentlich zu erwarten wäre) entsprechend geringere Auflösungen für die Videorekorder. Wobei man das Zeilensprungverfahren (engl.: interlaced) noch berücksichtigen müsste: Man sieht nicht ein Bild sondern zwei zeilenweise, kammartig ineinander eingeschobene Halbbilder. Spulen Sie doch einmal ein Videoband im Einzelbild-Modus an eine Überblendung, dann sehen Sie das ganz deutlich.

Mit echten Vollbildern (engl.: progressive scan, full frame) kleinerer digitaler Hochgeschwindigkeitskameras mit Auflösungen bis hin zu VGA (640 Spalten x 480 Zeilen) liegt man dann eigentlich doch ganz gut. Und die aktuellen Megapixel-Systeme bieten zum Teil noch höhere Qualität als HDTV (1280 Spalten x 720 Zeilen progressiv oder 1920 Spalten x 1080 Zeilen progressiv) und erreichen oder übertreffen sogar Hochgeschwindigkeits-Filmkameras. Speziell wenn die Auflösung für Digital Cinema (2K: 2048 x 1080, 4K: 4096 x 2160) angestrebt wird - bei entsprechend niedrigen Aufnahmefrequenzen und hohem finanziellem Aufwand ist das aktuell schon erreichbar.

Praxisbeispiel: Der Bewegungsablauf beim Speerabwurf soll analysiert werden. Die Größe des interessanten Bereiches beträgt 5 m x 5 m. Könnte man die Biege- und Drehbewegung des Speers noch sehen? Bei optimaler Abbildung repräsentiert jedes Pixel bei einem Schwarz/Weiß Sensor mit z.B. 512 x 512 Pixel eine Fläche von weniger als 10 mm x 10 mm, so dass man eine Aufschrift auf dem Speer noch erkennen, wenn nicht sogar lesen könnte.

Erfahrungsgemäß lässt sich sagen, dass Auflösungen von ca. 256 x 128 in Schwarz/Weiß üblicherweise für technische Auswertungen noch Bilder angemessener Qualität liefern. Für Film/TV (engl.: broadcast) Anwendungen liegt der Einstieg (weit) jenseits von 512 x 512 Pixel und mit Echtfarben, d.h. mit wenigstens 8 Bit eher noch 10 Bit pro Farbkanal des Sensors.

 

Braucht man nicht viel Erfahrung und aufwändiges Zubehör? - Schließlich macht man Spezialaufnahmen!

Im Normalfall braucht man kein spezielles Zubehör für industrielle oder die meisten wissenschaftlichen Aufnahmen. (Film und Fernsehen ist eine andere Sache.) Oftmals kann man gängige C-Mount Objektive (2/3 Zoll Format oder größer) verwenden und mit entsprechenden Adaptern (ca. € 50,- im nächsten Fotofachgeschäft) auch handelsübliche Fotoobjektive. Und selbst bei Sonderanforderungen, z.B. Aufnahmen unter beengten Verhältnissen, schlecht erreichbaren Stellen oder unter Wasser kann man auf das Angebot der Foto- und Videoindustrie zurückgreifen. Als Beleuchtungsquelle für technische Aufnahmen tut es oft auch schon ein 500 W Halogenstrahler aus dem Baumarkt um die Ecke.

Selbstverständlich gehört auch kompetente Unterstützung seitens des Herstellers zum System dazu. Die Anforderungen an das fotografische Grundwissen halten sich im Bereich technischer Aufnahmen (Einstellarbeiten, ...) aber in Grenzen. Und die Systeme bringen in der Regel einfach zu bedienende Steuersoftware mit.

 

Ist die Bedienung nicht sehr kompliziert und das System zu anfällig für den Industrieeinsatz? - Man arbeitet ja mit einer Spezialkamera an einem Windows-PC!

Nein, die Kamerasysteme sind in der Regel auf ihr Einsatzgebiet hin ausgelegt. So gibt es transportable Geräte in einem Koffer (sogar völlig ohne Notwendigkeit für einen extra Steuerrechner) oder welche basierend auf einem robusten Industrierechner wie für industrielle Steueranlagen und Telekommunikationsanlagen. Oder die kompakte und stabile Kamera bietet autarken Betrieb und wird bei Bedarf von einem Notebook oder einer Fernbedienung aus kontrolliert.
Auch komplett Crashtest taugliche Systeme sind verfügbar, spezifiziert für hohe Beschleunigungsbelastungen um die Anforderungen der Automobilindustrie bei Anbord-Crashtests und in der Luftfahrt zu erfüllen.
Manche Systeme können ohne Maus und Tastatur nur mit der Fernbedienung gesteuert werden, oft zusätzlich über Ethernet Anschluss oder andere Netzwerke. Manchmal ist der Bildspeicher der Kamera praktisch autark und behält seinen Bildspeicherinhalt auch während eines Rechnerabsturzes, eines kurzen Stromausfalls oder die ganze Kamera kann sogar mit einem Akku betrieben werden.

Bedenken Sie, dass bei einem großen Auto-Crashtestversuch mehrere Dutzend Kameras möglicherweise unterschiedlicher Hersteller innerhalb und außerhalb des Fahrzeugs über etliche Aufstellungsorte verteilt sicher funktionieren müssen. Und das beinhaltet auch die Bedienbarkeit.

Salopp gesprochen: Wer einen Videorekorder oder Camcorder bedienen kann, kommt auch mit den Systemen für industrielle Anwendungen zurecht.
Und was die Robustheit angeht: Manche Kameras und Systeme fahren auf Crashtestschlitten mit, teilweise drei mal pro Tag - über Monaten ohne Ausfall.

 

Warum ist das Hochgeschwindigkeitskamerasystem so teuer? - Eine gute Videokamera mit PC und Framegrabber kostet doch auch nur ca. € 2 500,-!

Nun, ein solches PC-System macht 50 bis 60 Halbbilder/sek. Mit 1 000 Vollbilder/sek ist man also 20 bis 40 mal schneller - da ist der Preis doch mehr als gerechtfertigt. Außerdem sind hochwertige Hochgeschwindigkeitskameras echte Kamerasysteme - besser: Messgeräte - und keine zusammengeschusterten 0815-PCs mit Framegrabbern. Ganz abgesehen davon muss man so ein System ja nicht gleich kaufen, man kann es auch beim Hersteller oder einem Dienstleister für ca. 500 bis 1 500 € pro Tag mieten.

Kostenüberblick Hochgeschwindigkeitskameras
Einstiegspreise für digitale Hochgeschwindigkeitskameras, 2010/11

Die enorme Preisspanne im Bild links gezeigt, rührt davon her, dass es sich einmal um Großseriengeräte der Unterhaltungselektronik oder Standard-Bildverarbeitungstechnik mit üblichen Datenraten handelt, während auf der anderen Seite hochwertigste wissenschaftliche Messgeräte mit Sondertechnik teilweise von Wissenschaftlern und Ingenieuren individuell entwickelt und aufgebaut werden.

Technologiesprünge führen dazu, dass die Kurven nicht gleichförmig linear verlaufen. Bis ca. VGA Auflösung und ca. 100 bis 200 Bilder/sek kann man die Bilddaten direkt über gängige Schnittstellen (Ethernet, FireWire, CameraLink, ...) in den Rechner und auf seine Festplatte bringen. Bei höheren Datenraten (schnellere Kamera, höhere Auflösung) muss man den Speicher in der Kamera integrieren oder die Kamera über eine spezielle Schnittstellenkarte (Framegrabber, DSP, ...) an den Rechner anbinden, siehe Bild unten links. Bei Bildraten ab einigen 100 000 Bilder/sek ist selbst das nicht mehr ausreichend. Der Speicher wird im Sensor unmittelbar um die Pixel gruppiert.
Sonderanforderungen für militärische Anwendungen, Crashtests oder Broadcast (Film- und Fernsehen) treiben die Kosten hoch.

Der Einstiegspreis bei Neugeräten mit VGA Auflösung, monochrom und etwa 500 Bilder/sek, liegt noch unter ca. € 10 000.-. Mit niedrigeren Aufnahmeraten, etwa um die 200 Bilder/sek, sind die oben erwähnten € 2 500.- wieder im Bereich des Möglichen. Beispielsweise gibt es einige Camcorder und Fotoapparate im Bereich der Unterhaltungselektronik, die bei VGA-Auflösung einige hundert (Halb-/Voll-) Bilder/sek und darüber für kurze Sequenzen liefern und dabei zum Teil deutlich unter € 1 000,- oder sogar € 500,- kosten.
Allerdings muss man dann schon ziemlich starke Abstriche in der Auflösung (oft nicht klar im Datenblatt genannt, aber drastisch unter der Vollauflösung) der Bildqualität, den Einstellmöglichkeiten und der Ausbaufähigkeit machen. Ganz zu schweigen von den fehlenden Anschlussmöglichkeiten für Steuersignale. Die »Oberklasse« - Megapixel bei mindestens 1 000 Bilder/sek - kostet schon etliche Zehntausend Euro. Schnelle (Single-Shot) Kameras im einige 100 000 Bilder/sek Bereich kosten einige hunderttausend Euro. (Die Preisliste ist natürlich nach oben offen ;-) Außerdem sollte man das Drumherum, speziell den Aufwand für die Beleuchtung und die Kosten für Steuer- und Auswertesoftware, nicht vergessen.
Es existiert ein kleiner Miet- und Gebrauchtgerätemarkt - einfach einen Hersteller oder Dienstleister nach Demo- oder Gebrauchtsystemen fragen. Für weitere Informationen und Links siehe [SloMo Links].

CCD Matrixsensor Schaltkreis
Handoptimierter Farbsensor

Der OEM Schwarz/Weiß Chip wird geöffnet und ein RGB-Farbstreifenfilter auf Glassubstrat wird hochgenau (±1/4 Mikrometer) vollflächig auf den sensitiven Bereich geklebt und zwar unter optischer Kontrolle durch den laufenden(!) Sensor. Der verbliebene Hohlraum im Keramikgehäuse wird zum Schutz der offenliegenden Silizium Schaltkreise und der Bonddrähte mit Spezial-Polymer vergossen und im Ofen ausgehärtet. (Dadurch wird auch die Beschleunigungsfestigkeit für Crashtestanwendungen gewährleistet.)

Klicken Sie auf das Bild rechts um zu sehen was während der Operation passiert.

Im Ernst: Die Bauteile, vor allem die Sensoren, sind Sonderentwicklungen mit hohem technischen Aufwand bei kleiner Serie und geringer Ausbeute, sowie mehrfach selektiert und damit sehr kostspielig. Allein der Sensor kostet oft schon viel mehr als eine komplette hochwertige Videokamera. Und natürlich sind die Entwicklungs- und Fertigungskosten für das Komplettsystem ebenfalls nicht unbedeutend, denn mit normalem Video haben die Kamerasysteme überhaupt nichts zu tun. Sie liefern digitale Bilder in einem eigenen Format. Die Kameraköpfe würden mit einem Videorekorder oder einem CCIR (= TV)-Monitor gar nicht funktionieren. Erst eine extra Elektronik in der Kamera oder im Steuerrechner generieren das Norm-Videosignal.

Einmal bemerkte ein Fachbesucher nach dem Laborrundgang:

Das ist nicht »High Tech«, Sie bauen »Highest Tech«.

 

Wo geht die Entwicklung hin? - Man will doch immer höhere Auflösung!

Schon, auch die Leistungsfähigkeit der Halbleiter wird weiter zunehmen, aber es wird wie gehabt Begrenzungen durch den Datendurchsatz geben. So wird wohl die Verarbeitung und Darstellung der Bildinhalte zu einer Änderung der Zielsetzung führen: von der Jagd nach Geschwindigkeit hin zu mehr Lichtempfindlichkeit, weniger höhere Aufnahmefrequenzen, dafür größerer Dynamik/Farbtiefe und besserer Bildqualität - Full HD 1920 x 1080p und Filmwirtschaft lassen grüßen. Die Systemintelligenz wird zunehmend im Kamerakopf integriert werden - wie im Camcorder. Ultraschnelle Kameras mit Millionen Bilder/sek sind eher etwas für den militärischen Forschungsbereich, kleine (robuste) Kameras etwas für die Industrie und Automotive.

Trotzdem, oder gerade deswegen, wird es zu einer weiteren Diversifizierung kommen - es wird auch einen wachsenden Markt für kleinere Kameraköpfe geben. Sie können leicht in ein Crashtest-Auto oder eine Maschine eingebaut werden und für Mehrkanalsysteme wandern dann Systemsteuerung, -intelligenz und der Speicher (wieder) in eine gemeinsame Steuereinheit. Stichwort: Abgesetzter Kamerakopf.
Des weiteren kommen vermehrt Kameras aus dem Bildverarbeitungsbereich (auch: »Machine Vision«), die interessante Leistungen für zahlreiche Anwendungsfälle zeigen. Oft reicht VGA-Auflösung oder etwas darüber bei einigen hundert Bildern pro Sekunde. Und diese Kameras sind im Anschaffungspreis gegenüber den traditionellen Hochgeschwindigkeitskameras vergleichsweise günstig. Außerdem warten sie mit moderaten Datenmengen für die Bildverarbeitung in Echtzeit auf und können fallweise als Langzeitrekorder ihre Daten direkt auf Festplatte schreiben.
Bei der Vernetzung steht die GigE Vision Schnittstelle (Gigabit Ethernet für »Machine Vision«) zwar hoch im Kurs - eine um Steuerparameter erweiterte Gigabit Ethernet Anbindung - allerdings ist sie zunächst nur für Standardkameras in der industriellen Bildverarbeitung gedacht. Bei Power over Ethernet (PoE) wird eine stromhungrige Kamera durch das Nicht-Vorhandensein einer entsprechend potenten Gegenstelle (Strom vom Notebook Akku?!) schnell ausgebremst. Interessanter für hohe Datenraten sind professionelle Studiotechnik Schnittstellen wie HD-SDI und vom Consumer Bereich USB 3.0.

Aus dem Unterhaltungselektronikbereich bedienen verschiedene bekannte Hersteller, insbesondere Casio (z.B. EXILIM EX-F1), mit Camcordern beziehungsweise Fotoapparaten das untere Preis- und Leistungssegment des Hochgeschwindigkeitskameramarkts. (Für weitere Informationen und Links siehe [SloMo Links].)

Mehr und mehr findet der professionelle Einsatz von Hochgeschwindigkeitskameras als Messgeräte mit entsprechender Auswertesoftware statt. Man sieht sich die Aufnahmen nicht nur an, sondern lässt Bewegungsparameter wie Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung, ... automatisch ermitteln. Dem tragen integrierte Messkanäle Rechnung, die bildsynchron analoge oder digitale Signale aufnehmen und speichern können. Den Rest erledigt entsprechende Auswertesoftware zumindest teilweise automatisch.

 

Kann man eine Hochgeschwindigkeitskamera nicht kleiner bauen? - Es gibt doch winzige Webcams und Überwachungskameras!

Hochgeschwindigkeitskameratypen im Größenvergleich
Konzepte für Hochgeschwindigkeitskameras

Im Prinzip schon. Aber im Gegensatz zu einer vergleichsweise einfachen Videokamera ist eine Menge aufwändiger Elektronik nötig um die anfallenden Datenmengen (bis zu und über GBytes pro Sekunde) zu kanalisieren. Wenn die Daten nicht mehr übertragen werden können, müssen sie in der Kamera zwischengespeichert werden. Soll die Kamera auch noch »intelligent« oder »smart« sein (d.h. mit Bildverarbeitungskapazität, verschiedenen Speichermodi und anderen Fähigkeiten), erzwingt das - einfach gesagt - die Integration eines praktisch vollwertiger PCs unter Umständen mit Massenspeicher und Stützakku. Das braucht Platz - und schlimmer noch - produziert viel Abwärme. Aktuelle Spitzenmodelle können gut 100 W und mehr erreichen - in einem Gehäuse von der Größe eines Schuhkartons.

Im Bild links einige Realisierungsmöglichkeiten von digitalen Hochgeschwindigkeitskamerasystemen mit grobem Funktions- und Größenvergleich. Natürlich gibt es auch Mischformen und Spezialfälle. So kann bei sehr schnellen Kameras der Bildspeicher im Sensor integriert sein. Die Auflösung und die Speichergröße sind dadurch allerdings sehr begrenzt.
Die grüne Karte soll eine PC-Einsteckkarte (Framegrabber, DSP-Karte, ...) darstellen, die rote Leitung die Anschlussmöglichkeit (Bilddaten und Steuersignale).

Legende: RAM = Bildspeicher; µC = Mikrocontroller oder Prozessor; A/D = Analog zu Digital Wandlung (oft schon im Sensor integriert)
Die Standardanbindung kann z.B. (Gigabit) Ethernet, FireWire oder CameraLink sein. Sogar die HD-SDI Anbindung eines Massenspeichers wäre möglich. Die spezielle Anbindung ist jeweils herstellerspezifisch.

Wenn die Kamera auch noch hohe mechanische Belastungen (Schock, Vibration) dauerhaft und wiederholt aushalten soll, verzichtet man auf eine aktive Kühlung per Lüfter. Nur das Gehäuse wirkt als passiver Kühlkörper und bestimmt maßgeblich die (Oberflächen-) Größe. Abgesehen davon erzwingt die gewünschte Robustheit und Schockfestigkeit auch entsprechende Materialstärken, Arretierungen und Befestigungsmöglichkeiten, siehe die Explosionszeichnung (pdf, 146 kB) einer crashfesten digitalen Hochgeschwindigkeitskamera.
Daneben muss man auch beachten, dass aufgrund der in der Regel wesentlich kürzeren Belichtungszeiten gegenüber herkömmlichen Kameras, die Pixel nicht zu klein und damit zu lichtunempfindlich werden. Das lässt die Hochgeschwindigkeitskamerasensoren wachsen und damit auch die Kameras und Objektive größer werden. (Und so nicht unbedingt billiger werden.)

Trotzdem, oder gerade deshalb, gibt es für die unterschiedlichen Anwendungsfälle die verschiedensten Systeme. Beispielsweise solche mit einem oder mehreren abgesetzten kleinen Bildaufnehmern (Kameraköpfen) angeschlossen an einem Basisgerät mit dem Großteil der Kamera- und Steuerelektronik.

 

Kaufberatung für Hochgeschwindigkeitskameras

Warum nicht einfach eine Kamera mit 1 Million Bilder pro Sekunde kaufen? - Sie würde alle Geschwindigkeitsanforderungen abdecken!

Das wäre wirklich ganz einfach. Aber jeder Anwender hat andere Anforderungen. Es ist nicht nur ein Kostenthema, es betrifft auch das Zubehör (z.B. die Beleuchtung), die Erfahrung, den Versuchsaufbau und so weiter. So gibt es eine kostspielige Schere zwischen Auflösung, Aufnahmerate und Aufnahmedauer.
Auch macht es keinen Sinn einige wenige 10 Bilder in ultrakurzer Zeit von einem Ablauf zu schießen, der eine halbe Sekunde dauert. Man würde den kompletten Ablauf nicht erwischen und die Auflösung kann zu gering sein um strukturelle Details abzubilden.
Auf der anderen Seite macht eine zu extreme Zeitlupe die Bewegungsstudie zu einer langweiligen Angelegenheit. So sind viele Sequenzen in Tierfilmen mit maximal wenigen hundert Bilder/sek aufgenommen (bzw. entsprechend abgespielt). Auch wenn der Sprecher erzählt Kameras mit mehreren tausend Bilder/sek seien eingesetzt worden. Vergegenwärtigen Sie sich, dass ein Gepard mit 1 000 Bilder/sek im vollen Lauf aufgenommen sich gerade einmal ca. zwei Finger breit von Bild zu Bild bewegt.
Und wenn man die ultraschnelle Kamera einbremst? Gut, aber warum eine Kamera mit teuren Eigenschaften kaufen, die man nie ausnutzen wird, oder die gerade wegen ihrer Geschwindigkeit wo anders ihre Einschränkungen hat, z.B. bei der Auflösung, wenn es Kameras gibt, die dem Anforderungsprofil viel besser entsprechen? 1 Million Bilder pro Sekunde gibt es nicht umsonst.
Denn solange man keine wirklich außergewöhnlichen Ansprüche hat und nicht zu bescheiden bei den Leistungsdaten ist, kann man durchaus mit einem normalen Gerät allein »glücklich« werden.

 

Wie einsteigen? - So viel ist zu beachten!

Das stimmt schon soweit. Im Gegensatz zu vor ein paar Jahren tummeln sich in der Zwischenzeit viele Anbieter im Hochgeschwindigkeitskameramarkt, oder was sie einem als solchen verkaufen wollen.

Geschwindigkeitsdiagramm
Einige ausgewählte Geschwindigkeiten

Warum nicht einfach den Spieß umdrehen und sich rein von den Anforderungen der Anwendung bei der Kameraauswahl leiten lassen? Das teuerste oder das schnellste Kamerasystem mit den meisten Pixel ist nicht unbedingt das am besten geeignete. Oft ist es auf Spezialanwendungen zugeschnitten und braucht das entsprechende Drumherum (Beleuchtung, Steuerung, Infrastruktur, ...) und Anwenderwissen.

Das Bild rechts soll anhand einiger ausgewählter Geschwindigkeiten ein Gefühl vermitteln, was sich in einer Millisekunde ereignet bzw. was sich hinter der Angabe Meter pro Sekunde verbirgt.
1 km/h = 3,6 m/s; 1 m/s = 0,2778 km/h; Mach 1 = Schallgeschwindigkeit (in Luft)

Einige andere Beispiele: Binnen 30 Millisekunden ist ein Airbag aufgeblasen. Der menschliche Lidschlussreflex liegt bei ca. 200 bis 250 Millisekunden.
So macht es keinerlei Sinn menschliche Bewegungen mit viel mehr als 1 000 Bilder/sek oder gar 100 000 Bilder/sek aufzunehmen. Und selbst ein Auto mit 50 km/h bewegt sich nur fingerbreit von Bild zu Bild. Der Bewegungseindruck geht völlig verloren und Sie würden beim Abspielen einschlafen.
Oder um es mit Douglas R. Hofstadter's Zeno zu sagen: »Bewegung unexistiert« (aus Gödel, Escher, Bach: ein endlos geflochtenes Band).

Diese Seiten hier sollen dabei etwas Licht ins Dunkel bringen, Zusammenhänge aufzeigen und grundlegende Eigenschaften erklären - somit eine Art kleine Kaufberatung für »echte« Hochgeschwindigkeitskameras bieten. Ein kleiner Kurs also in Sachen Geschwindigkeit, Aufnahmefrequenz, Auflösung, Beleuchtung, Bildqualität und Daten.

 

Vorschlag für einen Anforderungskatalog an die eigene Hochgeschwindigkeitskamera

  1. Die Objektgeschwindigkeit in der Bildebene bzw. die gewünscht zeitliche Auflösung liefern Anhaltspunkte für die benötigte Aufnahmefrequenz: Wie viele Fotos pro Sekunde werden benötigt? Wie viel Bewegung während der Belichtungszeit und speziell zwischen den Aufnahmen ist tolerierbar?
    Einige empfohlene bzw. typische Aufnahmefrequenzen (engl.: frames per second, fps; dt.: Bilder pro Sekunde): Analyse menschlicher Bewegungen und Spezialeffekte ca. 100 ... 250 fps, sehr schnelle Sportarten und industrielle Einstellarbeiten ca. 500 ... 1 000 fps, Auto Crashtest ca. 1 000 ... 3 000 fps, Airbagtests ca. 3 000 ... 5 000 fps, Bruchvorgänge, Faustfeuerwaffen und Raketenflug bis ca. 10 000 fps, Explosionen, (Blitz-) Entladungen und Gewehrkugeln ca. 10 000 ... 100 000 fps, Granaten und Einschläge 100 000 ... 500 000 fps, chemische und physikalische Reaktionsforschung ca. 100 000 ... 1 000 000 fps und darüber.

  2. Die räumliche Auflösung bzw. die Größe der aufzunehmenden Szenerie beeinflusst die Objektivwahl (Blickfeld) und dann erst die Sensorauflösung (Pixelzahl). Beachten Sie die mögliche Abhängigkeit der Auflösung von der Aufnahmefrequenz. Mit der Sensorauflösung sind teure Technologiesprünge verknüpft.
    Einige vorgeschlagene Pixel Auflösungen: industrielle Einstellarbeiten und Ganganalyse ca. 512 x 512 or 640 x 480 (VGA, PAL, NTSC) und weniger, Automotive ca. 1000 x 1000, Special Effects 1280 x 720 (HDTV) and Full HD 1920 x 1080, bis zur Digital Cinema Auflösung 2048 x 1080 und darüber.
    Selbst niedrige Auflösungen, z.B. 256 x 256 und sogar darunter, können Ergebnisse mit ausreichender Qualität für industrielle Anwendungen liefern, soweit echte Schwarz/Weiß Kameras eingesetzt werden. Schauen Sie sich einfach einmal die Beispielsequenzen in [SloMo Clips] an. Eine hohe Auflösung wird dann interessant, wenn man den Aufnahmebereich mit weniger Kameras abdecken kann.

  3. Die Aufzeichnungsdauer ist ein stark Kosten treibender Faktor. Die Nutzung intelligenter Triggermöglichkeiten führt zur Aufwandsreduzierung - frei nach Otto Waalkes »Je kürzer das Ssst, desto schneller das Bumms!« Es muss nicht immer ein Langzeitrekorder mit möglicherweise niedriger Aufnahmefrequenz bei niedriger Auflösung zu hohen Kosten sein.

  4. Speichern, Nachbearbeitung bzw. Bildverarbeitungswünsche bewirken Anforderungen an Technologie, Bildqualität (HDTV, Film?), Zugriff (Speicherzeit!) und Archivierungsmöglichkeiten (Speicherkarte, LAN + RAID, HD-SDI, ...).
    Das Speichern (Download aus dem Kameraspeicher) kann allein wegen der Datenmenge durchaus auf den ersten Blick überraschend viel Zeit beanspruchen oder wegen der leistungsfähigen Schnittstellen und Medien teuer werden.

  5. Licht ist ein kostbares Gut, da die Belichtungszeit oft kurz ist. Beispielsweise bedeutet 1 000 Bilder/sek., dass pro Bild nicht mehr als 1/1 000 Sekunde Belichtungszeit zur Verfügung steht - wenn überhaupt.
    Speziell bei Außenanwendungen (Tiefenschärfe, Bewölkung!) und ballistischen Aufnahmen (verkürzte Belichtungszeit durch den Verschluss, engl.: shutter, um Bewegungsunschärfe zu reduzieren) ist die Lichtempfindlichkeit ein sehr wichtiges Kriterium. Monocolor wäre eine Option!

  6. Optionen (erhöhte Schockfestigkeit, erweiterter Temperaturbereich, ...) und Zubehör (Taktgeber zur Synchronisierung, Spezialbeleuchtungen, ...) können den Preis erheblich treiben. Allerdings hat man an einer Hochgeschwindigkeitskamera aus dem Unterhaltungselektronikbereich in rauer Industrieumgebung auch keine Freude.

  7. Vergessen Sie nicht die Integration in Ihre Umgebung und Systeme (SPS und IT Einbindung), die Steuersoftware (angepasst, stabil, leicht zu bedienen?) und Spezialzubehör (Sonderobjektive, Steuergeräte, ...) zu prüfen.
    Irgendwoher muss ja das (passende!) Triggersignal und eventuell andere Steuersignale herkommen und eventuell generierte Steuersignale (strobe out, engl. für aktiver Bildeinzug, all armed, engl. für Aufnahmebereitschaft, ...) und Bilddaten auch hingeschickt werden.

  8. Und aus der Praxis: Achten Sie auf passende und geeignete (robuste) Gehäuse, Steckverbinder und Kabel. Überlegen Sie, wie oft sich wohl ein RJ45 Patchkabel von ungeübter Hand stecken lassen wird.

  9. Prüfen Sie, ob das System bezüglich Nachrüstung, Austausch, Service und Wartung/Reparatur modular ist. Die Technologie- und Produktzyklen sind allerdings erfreulicherweise nicht so kurz wie im Rechnergeschäft.

  10. Versuchen Sie eine Demo zu erhalten und denken Sie über einen Mietservice nach. Das kann den Einstieg vereinfachen, die Kosten reduzieren und Erfahrungen liefern. Speziell bei trickreichen Aufnahmesituationen. Fragen Sie zur Kostenreduktion beim Hersteller auch nach Miet-, Gebraucht- und Demogeräten. Ist wahrscheinlich besser als selber bauen oder irgendwo zu kaufen.

 

Noch ein paar Sensor Informationen sowie Tipps und Tricks zur Aufnahmetechnik finden Sie hier:

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Stand: V8.4, 2012-03-02


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